Lernort Weiße Rose Ulm

Geschichtlicher Hintergrund

Die Martin-Luther-Kirche in der Ulmer Weststadt ist untrennbar mit der Geschichte der „Weißen Rose“ verbunden, die 1942/43 gegen das verbrecherische nationalsozialistische Regime vor allem durch Flugblatt-Aktionen mutigen Widerstand leistete. Hans und Sophie Scholl hatten in Ulm einen engen Freundschaftskreis, zu dem auch Kinder des Pfarrers der Martin-Luther-Kirche, Ernst Hirzel, gehörten.

In einem konspirativen Akt wurden 1942/43 etwa zweitausend Exemplare des fünften Flugblattes der Weißen Rose von den Geschwistern Scholl von München den Ulmer Freunden Franz J. Müller, Susanne und Hans Hirzel übergeben, die diese hinter dem Orgelprospekt der Kirche, im verborgenen Pfeifenkämmerchen der großen Walcker-Orgel, versteckten, zum Versand fertigmachten und anschließend in Briefkästen verteilten. Nach der Verhaftung von Hans und Sophie Scholl wurden auch die Mitglieder des Ulmer Kreises von der Gestapo inhaftiert. Die Mitglieder des engeren Kreises der Weißen Rose wurden hingerichtet, die Angehörigen des Ulmer Freundschaftskreises vom Volksgerichtshof zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Problemlage

Der authentische Ort in der Kirche ist künftig aus feuerpolizeilichen und Betriebssicherheits-Gründen nur sehr eingeschränkt für die Öffentlichkeit zugänglich. Hinzu kommt, dass die Ausstellung in der Kirche in die Jahre gekommen ist und überarbeitetet sowie den heutigen Anforderungen an eine Ausstellung angepasst werden muss. Der authentische Ort in der Martin-Luther-Kirche ist bisher weitgehend unbekannt, er sollte daher stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden.

Neuentwicklung eines Lernorts in unmittelbarer Nähe zum authentischen Ort

In unmittelbarer räumlicher Nähe zur Orgelstube soll außerhalb des Kirchengebäudes ein neuer Lernort entstehen.

Es soll ein Ort von besonderer Anziehungskraft und Sichtbarkeit entstehen, der auch aufgrund seiner spektakulären Gestaltung Menschen anzieht, als herausragendes Beispiel sei das Holocaust-Mahnmal in Berlin genannt. Eine markante, hervorstechende Architektur und darin integriert eine hochwertige künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema soll zur Erinnerung und zur Vermittlung von Wissen beitragen.

Der neue Lernort soll neue digitale Medien und moderne Formen der Didaktik enthalten. Die weiteren bereits vorhandenen Orte der Dokumentation des NS-Regimes sollen in das digitale Konzept integriert und modernisiert werden.

Finanzierung

Der Deutsche Bundestag hat für die Umsetzung des Projekts 1,5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Um weitere Kosten, insbesondere zur Vernetzung und Digitalisierung des Projekts abzudecken, wurde eine Kunstedition „Weiße Rose“ ins Leben gerufen.

Namhafte Künstlerinnen und Künstler wie Robert Longo, Sean Scully, Danielle Zimmermann, Enotie Paul Ogbebor, Thomas Kilpper und Goin haben für diesen Zweck Kunstwerke zum Verkauf gespendet.

Weitere Hintergrundinformationen:

Bedeutung des fünften Flugblatts in der heutigen Zeit

Gerade das fünfte Flugblatt der Weißen Rose, welches an diesem Ort kuvertiert und zum Versand vorbereitet wurde, zeigt mehrfach Bezüge in die heutige Zeit. Die im Flugblatt dargestellte Vision einer europäischen föderalen Staatengemeinschaft als Mittel gegen Imperialismus und als Basis für ein friedliches Zusammenleben der Völker in Europa hat mehr Aktualität denn je. Am bekanntesten ist sicher der Satz:“Zerreisst den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt!“

Manifest des Jugendwiderstands

Die Aktionen des Ulmer Freundschaftskreises von Hans und Sophie Scholl werden heute als eine herausragende Manifestation des Jugendwiderstands gegen das NS-Regime gewertet. Sie besitzen eine Strahlkraft, die weit über Ulm hinausreicht und gerade für Heranwachsende von großer Bedeutung ist. Dies wird z. B. durch das erfolgreiche Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl von SWR und BR anlässlich des 100. Geburtstags von Sophie Scholl im Jahr 2021 belegt.